Schulsozialarbeit

Stellungnahme der Schulleitung zur Einführung der Schulsozialarbeit in der Grundschule

1.            Situative Rahmenbedingungen an der Johannes-Häußler-Schule 

Statistische Angaben: 

Im Moment (Stichtag 01.03.2007) besuchen 375 Schülerinnen und Schüler in 14 Regelklassen und 2 Sprachklassen (Vorbereitungsklassen) die Johannes-Häußler-Schule Neckarsulm. Der Einzugsbereich (Schulbezirk) erstreckt sich auf das komplette Stadtgebiet südlich der Viktorshöhe. Von diesen Schülern haben 181 eine ausländische Staatsangehörigkeit (49 %) und etwa 4 % entstammen aus Spätaussiedlerfamilien. Weitere 12 % haben einen Migrationshintergrund, sind aber deutsche Staatsbürger( teilweise Doppelstaatsbürgerschaft). 

Soziokultureller Hintergrund der Schüler 

Im soziokulturellen Bereich lassen sich starke Divergenzen konstatieren. Ein breiter Teil der Schülerinnen und Schüler stammt aus Mittelschichtfamilien, die hauptsächlich in der Südstadt nördlich der Ganzhornstraße, sowie im Großbereich Hallenbad wohnen. Die Eltern dieser Schüler sind sehr oft bei der AUDI AG beschäftigt oder selbständig.  Ein weiterer großer Teil der Schüler stammt aus intakten türkischen Familien, die hauptsächlich im Innenstadtbereich angesiedelt sind und meist schon seit zwei Generationen in Deutschland leben. Auch hier arbeiten viele Eltern bei AUDI.  Neben dieser Bevölkerungsgruppe gibt es eine wachsende Anzahl von Schülern, die aus unvollständigen oder problematischen Familien stammt. Ca. 30 % der Schüler werden von allein erziehenden Müttern, die sehr oft im Dienstleistungsbereich tätig sind, erzogen.  Schätzungsweise 5 % der Schüler stammt aus sozial sehr schwierigen Verhältnissen (Stiftsbergstraße, Sohnstraße) mit schwierigen Wohnverhältnissen und lang andauernder Arbeitslosigkeit. Ebenso stark zugenommen hat die Zahl der Kinder, die aus Migrantenfamilien stammen, die nur sehr schlecht oder nur teilweise Deutsch sprechen. Oft ist zu beobachten, dass der Vater in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, die Mutter jedoch kein Wort Deutsch spricht. Wir schätzen diesen Anteil auf ca. 10 % aller Schüler. 

Schulische Rahmenbedingungen: 

Die Johannes-Häußler-Schule reagiert auf diese Vorgaben auf verschiedene Weisen: 

  • Durch ein differenziertes und individualisiertes Unterrichtsangebot im Rahmen des Regelunterrichts wird mit verschiedenartigen unterrichtlichen Methoden (Freiarbeit, Wochenplan, Projektunterricht) versucht, jedem Schüler gerecht zu werden.
  • Die großen sprachlichen Unterschiede schon beim Schuleintritt werden durch die Einrichtung von Sprachklassen berücksichtigt. Neben einer intensiven Kooperation mit den Kindergärten und einer Sprachstandsdiagnose („Bärenstark“) wird versucht, Schülern mit erheblichen Defiziten in der deutschen Sprache zu helfen, indem sie in einer Kleinklasse (max. 12 Schüler) von speziell qualifizierten Lehrerinnen unterrichtet werden. Auch für die Quereinsteige existiert eine solche Sprachklasse (Klassenstufe 2 – 4). Daneben wird in allen Klassen in unterschiedlichem Umfang Förderunterricht in Deutsch und Mathematik angeboten. Die notwendigen Ressourcen in Form von Lehrerstunden stehen ab diesem Schuljahr zur Verfügung (Ganztagesschule).
  • Für ausländische Schüler der Grundschule besteht eine tägliche Hausaufgabenbetreuung. 25 Schülerinnen und Schüler werden von zwei ehrenamtlichen Helferinnen betreut, die eine Aufwandsentschädigung vom Land Baden-Württemberg erhalten. 
  • Die Klassengrößen der Schule differieren sehr stark. Im Bereich der Klassenstufen 2 und 4 (Dreizügigkeit) gehen durchschnittlich 28 Schüler in eine Klasse. Im Bereich der Klassenstufen 1 und 3 (Vierzügigkeit) ist die Korrelation günstiger (durchschnittlich 22 Schüler).
  • Es bestehen enge Kooperationen mit der JuLe Neckarsulm, dem Allgemeinen sozialen Dienst und verschiedener Förderschulen, um auf problematische Schüler frühzeitig reagieren zu können. In wöchentlichen oder monatlichen  Kooperationstreffen werden Erfahrungen ausgetauscht oder konkrete Hilfen angebahnt.
  • Im Bereich der Prävention arbeitet ein ehrenamtliches Team aus Eltern und Schülern im Bereich der Sexualprävention mit dem Modell „Echt stark“ der Polizei und des Vereins „Pfiffigunde“ in allen Klassen der Klassenstufe 3. 

2.            Aktuelle Entwicklungen:

Entwicklungen im erzieherischen Bereich: Bereits seit mehreren Jahren stellen die Lehrerinnen und Lehrer verschiedene Entwicklungstendenzen bei Grundschulkindern fest, die einen Trend andeuten könnten:

  • Immer häufiger kommen Kinder in die Grundschule, die über Defizite bei den personalen und sozialen Kompetenzfeldern verfügen. Dies bedeutet, dass viele Schulanfänger kaum noch in der Lage sind, mit anderen Kindern zusammen über einen längeren Zeitraum hinweg stabil zu kommunizieren.
  • Wir stellen insbesondere in eher „freien“ Situationen, wie den Pausen, den Unterrichtswegen, bei Feiern oder Veranstaltungen, fest, dass die Kinder eine relevant erhöhte Gewaltbereitschaft haben. Dies bedeutet, dass diese Kinder zwar im Unterricht in der Lage sind, ohne große Störungen mitzuarbeiten, dass aber in eher unbeobachteten Situation Schlagen, Schubsen, Beleidigen an der Tagesordnung sind.
  • In Konfliktsituationen beobachten wir einen Trend zu „härteren“ Aggressionsformen. Die Hemmschwellen, ein anderes Kind, das am Boden liegt, zu treten, sind rapide gesunken. Fälle von Körperverletzungen durch Schläge ins Gesicht z.B. auf dem Schulweg, haben stark zugenommen. 
  • Beobachtet wurde das gehäufte Auftreten von Bedrohungen und Erpressungen. Kinder berichten über Versuche, ihre Jacke zu rauben oder Geld zu erpressen.
  • Es fällt auf, dass kaum einer der Kinder, die im o.a. Sinn auffallen, Mitleid oder Reue gegenüber dem „Opfer“ empfinden. Eltern von Schülern, die körperlich aggressiv auftreten, versuchen fast immer die Schuld beim Opfer zu suchen. Das Argument „wenn dich jemand attackiert, dann hast du das Recht, dich mit allen Mittel zu verteidigen“ wird besonders bei Kindern von Migranten zum Standardsatz. Dieses Argument wird besonders häufig verwendet, wenn die Mutter beleidigt worden sein soll („Deine Mutter ist eine Hure!“). 
  • Es gibt eine deutliche Tendenz zur Überbehütung, insbesondere bei Familien mit allein erziehenden Elternteilen und bei Migrantenkindern. Kinder werden täglich in die Schule gefahren, der Ranzen wird bis ins Klassenzimmer getragen und die Kinder wieder mit dem Fahrzeug abgeholt. Unselbständigkeit und mangelnde „Alltagstauglichkeit“ sind zunehmende Phänomene. Dies schließt auch Beratungsresistenz in Problemsituationen ein.
  • Durch vielfältige Gespräche mit Eltern und Kindern wissen wir, dass der tägliche Medienkonsum im Grundschulalter in den letzten zehn Jahren erheblich zugenommen hat. Neben dem Fernseher stehen nun vor allem Videokonsolen und Spielcomputer in den Kinderzimmern. Vor allem bei Kindern aus sozial eher schwachen Familien muss davon ausgegangen werden, dass die Zeit des Medienkonsums  inzwischen die tägliche Unterrichszeit  überschreitet. 
  • Es gibt eine Tendenz, die Grundschulkinder beim Eintritt in die Schule „abzugeben“, d.h. seine eigene Erziehungsverantwortung vollständig an die Schule zu delegieren. Häufiger als früher werden Elternabende nicht besucht, Elterngespräche grundlos abgelehnt und schulisches Engagement zurückgefahren.
  • Die Zahl der Kinder mit ADS hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Inzwischen gibt es kaum noch eine Klasse an der Schule, die kein ADS- Kind hat.

 Auswirkungen auf die weiterführenden Schulen und speziell auf die Hauptschule. 

In den letzten Jahren häuften sich signifikant die Fälle von Grundschülern, die unmittelbar nach dem Übertritt in die weiterführenden Schulen und speziell die Hauptschule massiv verhaltensauffällig oder gar kriminell werden. Während die Zahl der Unterrichtsauschlüsse oder Schulverweise an der JHS in den Klassen 6-10 konstant bleibt oder sogar in letzter Zeit sinkt, steigt diese Quote bei den Schülern, die direkt aus der Grundschule kommen, stark an. Dies führen wir unter anderem darauf zurück, dass die Verhaltensprobleme vieler Schüler, die bereits im Grundschulbereich auffällig wurden, durch den starken Selektionsdruck im Rahmen des Übergangsverfahrens auf die weiterführenden Schulen, verstärkt werden. Bei diesen Kindern ist zudem zu konstatieren, dass das „Interesse“ vieler Eltern stark nachlässt, wenn der Übergang auf eine Hauptschule ansteht.In den letzten beiden Jahren wurden insgesamt 3 Schüler der Klassenstufen 5 endgültig aus der JHS ausgeschlossen, weil sie eine Gefahr für ihre Mitschüler darstellten. 

3.            Plädoyer für eine präventive Unterstützung im Grundschulbereich 

Die Schulleitung der Johannes-Häußler-Schule spricht sich in Abstimmung mit dem Lehrerkollegium der Schule für eine Ausweitung der Schulsozialarbeit auch auf die Grundschule aus. Die hervorragenden Erfahrungen an unserer Schule seit Einführung der Schulsozialarbeit und die o.a. Beobachtungen lassen es beinahe folgerichtig erscheinen, dieses Erfolgsmodell, das auch in der Schulöffentlichkeit einen hervorragenden Ruf und eine große Akzeptanz besitzt, auch unter veränderten Bedingungen und mit einer genau definierten grundschulspezifischen Aufgabenbeschreibung, fortzuschreiben. Aus schulischer Sicht wären folgende Arbeitsschwerpunkte für die Schulsozialarbeit im Grundschulbereich sinnvoll und möglich: 

1.            Stärkung und Förderung der persönlichen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler 

Schulsozialarbeit kann sich durch Umsetzung verschiedener Angebote in das schulische Ziel einer ganzheitlichen Förderung und dem Abbau von Chancenungleichheiten beteiligen. Kindern aus schwierigem sozialem Umfeld oder aus ausländischen Familien können so zusätzliche, niederschwellige und frühzeitige Hilfen angeboten werden.  

2.            Stärkung der präventiven Interventionsmöglichkeiten im Bereich verbaler und körperlicher Gewalt durch Klassenprojekte zusammen mit den Klassenlehrern 

Die Erfahrungen der Schule mit „Echt stark“ zeigen, dass durch solche Projekte für die einzelnen Klassen sehr positive Effekte erzielt werden können. Besonders im Bereich der Gewaltprävention und der Medienerziehung erscheinen solche breit angelegten aber lokal verankerten  Programme dringend erforderlich. 

3.            Beratung und Kommunikation mit Eltern im weiteren Sinne.  

Durch die Trennung von der unterrichtenden und bewertenden Funktion eines Lehrers ist es den Sozialpädagogen sicher leichter möglich, Eltern bei Verhaltensauffälligkeiten zu beraten und spezielle Hilfen anzubieten. Dies gilt in gleichem Sinne auch bei der Beratung der Lehrerinnen und Lehrer. Die Schulsozialarbeit kann somit zu einem Bindeglied zwischen Eltern und Hilfen gem. Kinder- und Jugendhilfegesetz werden (JuLe, ASD).  

4.            Elternberatung: 

In aktuellen Krisensituationen wäre Schulsozialarbeit durch die enge Vernetzung mit anderen Einrichtungen der Jugendhilfe im kommunalen und interkommunalen Bereich auch eine Anlaufstelle in Krisensituationen für Grundschulkinder und Grundschuleltern. Die Weitervermittlung und Koordination der Hilfen für die einzelnen Eltern und Schüler kann als zentrales Anliegen definiert werden. 

5.            Verbesserung des schulischen Klimas und der Lebenswelt Schule 

Schulsozialarbeit an der Grundschule kann analog zur Konzeption an der Hauptschule viel zur Verbesserung der Lebenswelt Schule beitragen. Durch Mitwirkung bei schulischen Veranstaltungen und Festen wird das schulische Klima insgesamt verbessert und trägt dazu bei, dass sich die Schüler wohl fühlen.   

4.            Unabdingbare Rahmenvoraussetzungen für die Johannes-Häußler-Schule: 

Damit Schulsozialarbeit an der Grundschule erfolgreich sein kann, bedarf es nach Auffassung der Schulleitung verschiedener unabdingbarer Voraussetzungen. 

  • Um in der Grundschule erfolgreich wirken zu können, ist der persönliche Kontakt zu den Kindern sehr wichtig. Das bedeutet auch, dass eine ausreichende Zeit zur Verfügung stehen muss, um diesen Kontakt zu erlangen und die Aufgaben erledigen zu können.
  • Die Arbeitsschwerpunkte müssen genau definiert und klar geregelt werden, insbesondere, was die Zusammenarbeit mit externen Stellen wie ASD betrifft.
  • Die Konzeption im Bereich der Prävention muss klar definiert und ausgiebig mit der Schule diskutiert werden. Dabei spielt die Gewaltprävention eine entscheidende Rolle.
  • Die Konzeption der unterstützenden Elternarbeit bedarf einer genauen Analyse und einer klaren Arbeitsdefinition.
  • Die Schulsozialarbeit an der Grundschule muss eng verzahnt werden mit der bestehenden Schulsozialarbeit an der Hauptschule. Eine isolierte Konzeption wird abgelehnt – ein ganzheitliches Konzept für die komplette JHS ist zwingend notwendig. 

Fazit:

Die Johannes-Häußler-Schule sieht die zwingende Notwendigkeit, Schulsozialarbeit auch auf den Grundschulbereich auszudehnen. Wir sind selbstverständlich bereit, bei einer eventuellen Neukonzeption in diesem Bereich aktiv mitzuarbeiten. Wir begrüßen ausdrücklich die Initiativen der Stadtverwaltung Neckarsulm in diesem Arbeitsfeld. 

Termine in der JHS

März 2024
Mo Di Mi Do Fr Sa So
26 27 28 29 1 2 3
4 5 6 7 8 9 10
11 12 13 14 15 16 17
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 31
April 2024
Mo Di Mi Do Fr Sa So
1 2 3 4 5 6 7
8 9 10 11 12 13 14
15 16 17 18 19 20 21
22 23 24 25 26 27 28
29 30 1 2 3 4 5
Mai 2024
Mo Di Mi Do Fr Sa So
29 30 1 2 3 4 5
6 7 8 9 10 11 12
13 14 15 16 17 18 19
20 21 22 23 24 25 26
27 28 29 30 31 1 2
jhs
logo ssw